Intelligenz-Zuzug für USA stagniert

Die USA lebt sein Jahrzehnten in einer selten erkannten, aber fatalen Abhängigkeit: der größte Teil ihrer spektakulären Erfindungen wurde von Menschen erarbeitet, die außerhalb der USA geboren und ausgebildet wurden und die erst nach Ende ihres Studiums in die USA einwanderten. Doch dieser »Genie-Nachschub« aus Europa ist im Begriff, zu versiegen — zu Lasten des kreativen Potenzials, das den USA für die Entwicklung neuer Technologien in Zukunft wohl abgehen wird.

In den letzten hundert Jahren hat wohl kaum eine Nation so viele Innovationen und neue Technologien erfunden wie die USA. Nordamerika scheint die führende Weltmacht im Bereich der technischen Entwicklung zu sein. Doch stimmt das wirklich?

Betrachten wir die Dingen genauer, so fällt uns ein Umstand auf: Die meisten dieser großen Erfinder waren Einwanderer – Menschen, die in einem anderen Land geboren und ausgebildet wurden und erst danach in die USA einwanderten.

Bekannte Beispiele dafür sind etwa Wernher von Braun, der die deutsche Raketentechnik in die USA brachte und dem Land dadurch zur Mondlandung verhalf, oder der in Serbien geborene Nicola Tesla, der in den USA die grundlegende Technologie für das landesweite Stromnetz schuf; eine Technologie, die inzwischen weltweit genutzt wird.

In diesen und vielen weiteren Fällen beschränkte sich die wahre Leistung Amerikas darauf, eine von einem Ausländer erfundene Technologie in ihrem Land in großem, industriellem Maßstab anzuwenden. Die ersten Autos wurden beispielsweise in Europa gebaut. Die USA übernahm diese Technik; man erweiterte sie bloß um das Element der Fließbandproduktion. Dadurch wurde das Automobil von einem Luxusgegenstand zur Massenware, die sich jeder durchschnittlich verdienende Bürger leisten konnte.

Trotzdem blieb das grundlegende System unverändert: Amerika war und ist extrem abhängig vom ungehinderten Zustrom hervorragend ausgebildeter junger Menschen, die hier das optimale Umfeld finden, um auch revolutionär neuartige und unorthodoxe Ideen zu perfektionieren und sie in großem Stil in die Praxis umzusetzen.

Eine Zweiklassengesellschaft der Bildung

Die Ursache für den weitaus schlechteren Ausbildungsgrad des durchschnittlichen Amerikaners ist eine extreme Knauserigkeit der US-Verwaltung, was das landesweite Schulsystem betrifft. Während z.B. europäische Länder eine hochwertige Ausbildung ihrer Schüler und Studenten als eine gewinnbringende Investition in die Zukunft verstehen, konnte in den USA die herrschende Elite — oft als WASP bezeichnet, ein Kürzel für »White Anglo-Saxon Protestant« — weitestgehend die Anschauung durchsetzen, eine fundierte Bildung wäre nichts anderes als eine Ware, die wie jede andere Ware zum höchstmöglichen Preis vermarktet werden sollte.

Die Folge dieser Einstellung: gute Bildung kostet in den USA sehr viel Geld; nur Reiche können ihren Kindern eine wirklich erstklassige Ausbildung in den elitären Privatschulen und Privat-Universitäten sichern. Für den Rest — und das ist die große Mehrheit aller Amerikaner — gilt: Wer dafür nicht bezahlen kann, hat auch kein Recht auf eine hochwertige (Aus-) Bildung

Das ist übrigens auch ganz im Interesse dieser Elite, sichert dieses Prinzip ihren Kindern doch schon von vornherein einen riesigen Vorsprung bezüglich ihrer Startposition im Berufsleben — einen Vorsprung, den die Kinder von »Normalsterblichen« nur in den seltensten Fällen aufholen können.

Der genialste Trick, um die Bildung insbesondere in ärmeren Bezirken zu begrenzen, ist aber das perfide System, mit dem in den USA die öffentlichen Schulen finanziert werden: Jeder Bezirk finanziert seine öffentlichen Schulen aus der Grundsteuer, die er einnimmt.

Der Clou dabei ist: Wie hoch diese Grundsteuer in einem Bezirk ist, können die Bürger selbst festlegen. Die Menschen in ärmeren Bezirken stimmen somit — natürlich völlig »demokratisch« — für einen geringen Grundsteuersatz, weil sie sich eben nicht mehr leisten können.Dementsprechend schlecht ist die Bezahlung für die Lehrer an ihren Schulen; Für ein solches Mini-Gehalt sind vielfach nur jene zweifelhaften Lehrer bereit zu arbeiten, die schon von vielen anderen Schulen hinausgeworfen wurden, weil sie entweder fachlich inkompetent sind oder im Extremfall anderswo bereits in Pädophilie-Skandale verwickelt waren.

»Bessere« (sprich reichere) Bezirke dagegen haben mehr finanziellen Spielraum. Sie können sich leisten, den Prozentsatz ihrer Grundsteuer weit höher anzusetzen. Diese Bezirke erbringen dadurch weitaus mehr Geld für ihre Schulen, sie können dadurch weit strengere Ansprüche an die Qualität ihrer Lehrer stellen.

Das damit erreichte (und von der Elite wohl in genau dieser Form gewünschte) Ergebnis dieser Ungleichheit: Die meisten Aufsteiger aus der Klasse der »Normalsterblichen« bleiben spätestens im mittleren Management stecke, in den Führungsetagen der Unternehmen bleiben die Sprößlinge dieser Elite somit größtenteils »unter sich«.

Sollte es doch einmal einer aus der ärmeren Bevölkerungsschicht bis ganz nach oben schaffen, so bleibt er dennoch ein Außenseiter, der zu den Vernetzungen der Elite keine Zugang findet.

Kein Vorteil ohne Nachteil

Als Nachteil ergibt sich hieraus, dass die große Mehrheit der Schüler und Studenten ihre Ausbildung in staatlichen Schulen erhalten, und deren Niveau (siehe oben) ist — anders als bei den öffentlichen Schulen in Europa — je nach Gegend schlecht bis katastrophal, verglichen mit jenem der Privatschulen.

Die Folgen sind abzusehen: Mag ein junger Mensch auch noch so talentiert sein: ohne fundierte (und teure) Ausbildung wird er niemals in die Lage kommen, seine Begabungen in eine entsprechend gut bezahlte Karriere umzusetzen. Die große Mehrheit bleibt somit ungebildet und arm — das ideale »Menschenmaterial« für schlecht bezahlte Jobs bei McDonald’s & Co.

Dieses System hat bisher zwar tadellos funktioniert und sicherte der Elite eine uneinholbaren Vorsprung, aber gerade nach den Veränderungen des letzten Jahrzehnts machen sich die Schwächen dieses Systems immer stärker bemerkbar.

Ein anderes Amerika

Die USA und vor allem das politische Klima im Land hat sich in den letzten Jahrzehnten gravierend verändert. Der erste Auslöser war die Housing-Krise, die Millionen von Familien aus dem Mittelstand in die Armut (und zum Teil unter das Existenzminimum) geworfen hat.

Eine der logischen Folgen dieser sozialen Veränderung war die Zunahme von Straftaten; Bevor ein Mensch seine Familie verhungern lässt, wird er schließlich alles Mögliche unternehmen, um doch noch Geld für Essen aufzutreiben; er wird notfalls auch stehlen oder kriminelle »Jobs« annehmen.

Anstatt diesen Menschen zu helfen, hat die Regierung als einzige Gegenmaßnahme die Ausstattung der Polizei massiv aufgerüstet. Heute verfügen fast alle »Sheriff’s Departments« (Polizeistationen) über gepanzerte Fahrzeuge und kriegstaugliche Waffen, wie sie noch vor einem Jahrzehnt ausschließlich vom US-Militär benutzt wurden.

Das bewirkte wiederum eine gravierende Zunahme des Drucks zwischen Bevölkerung und Ordnungshütern. Die reagieren unter steigendem Druck immer öfter mit unverhältnismäßig großer Gewalt auf eine an sich harmlose Konfrontation — mit Gewalt, die im Vergleich zur jeweiligen Ursache oft weit überzogen erschien; die Ereignisse in Ferguson, Missouri und die darauf folgenden Unruhen sind ein typisches Beispiel für außer Kontrolle geratene Polizeibeamte, deren Brutalitäten danach noch dazu von ihren Vorgesetzten und der Stadtverwaltung gedeckt werden.

Keine gute Propaganda

Mit den heute weltweit verfügbaren sozialen Medien wie z.B. Facebook, Twitter, etc. wird die Nachricht über fast jeden dieser Vorfälle binnen Stunden in alle Länder der Welt transportiert. Bestens ausgebildete junge Menschen in Europa lesen diese Berichte und sehen die Fotos — und sie beschließen: »Unter diesen Umständen werde ich mein Glück doch besser in einem anderen Land versuchen!«. Sie reisen zwar auf der Suche nach der optimalen Karrieremöglichkeit auch jetzt noch in ein anderes Land — aber dieses Land heißt jetzt nicht mehr USA.

Natürlich ist diese Verschärfung im Klima zwischen Ordnungshütern und Bevölkerung nicht der einzige Grund für junge Genies, der USA fern zu bleiben. In den Augen der europäischen Jugend hat die USA etwa seit der Jahrtausendwende ihre Unschuld eingebüßt. Zu viele Ungereimtheiten sind passiert, als dass sie Amerika auch weiterhin als ideales Einreiseland sehen könnten. Das begann mit dem Krieg in Afghanistan, bei dem trotz aller US-Propaganda »Wir bringen die Demokratie!« die Sicherung einer Pipeline als eigentlicher Zweck dieses Krieges nur allzu deutlich zu erkennen war.

Im Irakkrieg bewirkte die bis heute andauernde Verseuchung der zivilen Bevölkerung, durch die »harmlose« Munition aus abgereichertem Plutonium extrem viele Leukämiekranke sowie unzählige Missbildungen bei Neugeborenen. Dies wurde nach Verschleierungsversuchen seitens der USA schließlich doch noch bekannt, Filme wie »Todesstaub« finden sich im Internet.

Die Tatsache, dass die USA die von ihren Waffen im Irak verursachten Folgen für die zivile Bevölkerung bis heute völlig ignoriert, brachten den USA ebenfalls keine Sympathiepunkte ein. Auch hier war der eigentliche Zweck — der Krieg um’s Erdöl — nur allzu leicht erkennbar.

Die Glaubhaftigkeit der USA als »Leuchtfeuer der Freien Welt« wurde dadurch nachhaltig beschädigt, und damit verschwand auch das Vertrauen der internationalen Staatengemeinschaft in die USA als Vertragspartner, auf dessen Wort ma sich verlassen könne.

Den größten Einfluss auf die Meinung potenzieller US-Einwanderer hatte jedoch wohl die US-Gesetzgebung, speziell der unter George W. Bush beschlossene »Patriot Act«, der dem Staat ermöglichte, jedermann ohne Angabe von Gründen zu verhaften und unbegrenzt festzuhalten, einzig auf Grund der Annahme (!) einer Behörde, der Betreffende »könnte ein Terrorist sein«, bis zu Obamas »National Defense Authorization Act« (NDAA), der die Verfassungsrechte der US-Bürger noch viel massiver aushebelte, und der Ermordung »mutmaßlicher Terroristen« (sprich: von Menschen, die irgendjemand für Terroristen hielt) in ihren Heimatländern durch ferngesteuerte Drohnen des US-Militärs.

Verständlich, dass eine derartige Verschärfung des politischen Klimas auf allen Ebenen im Stande ist, den bis dahin ständig strömenden Zulauf von in Europa oder Asien ausgebildeten jungen Talenten in die USA wirksam zu stoppen. Damit aber ist genau die Quelle versiegt, aus der die USA bei der Entwicklung ihrer Technologie bisher schöpfen konnten, während inzwischen Länder wie China die Wichtigkeit einer Top-Ausbildung für ihre Jugend erkannt und entsprechende Förderungsmaßnahmen längst eingeleitet haben.

Fazit

Sollte sich die USA nicht bald wieder auf die Wichtigkeit einer optimalen Ausbildung für ihren gesamten akademischen Nachwuchs besinnen, so scheint es sehr wahrscheinlich, dass die Nobelpreisträger der nächsten Jahrzehnte nicht mehr aus den USA kommen werden. Der »Stoff«, aus dem US-Nobelpreisträger gemacht sind, der »Nachschub von außen«, ist im Begriff, zu versiegen.

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