„Totgesagte leben länger“, lautet ein altes Sprichwort, und eine Bestätigung für seine Richtigkeit erleben wir gerade jetzt am Beispiel der Krypto-Währung Bitcoin. Dessen Kurs war in den letzten Monaten eine beispiellose und abenteuerliche Berg- und Talfahrt – aber was ist da eigentlich passiert?
Die Kommentare in den Medien vertreten zwei höchst unterschiedliche Standpunkte. Die eine Gruppe von „Experten“ erwartet einen fulminanten Höhenflug für Bitcoin, während für die andere (etwas kleinere) Gruppe der Zug nun abgefahren ist; für sie ist Bitcoin tot und wer noch darauf vertraut, dem prophezeien sie eine bittere Enttäuschung und höchst schmerzliche Verluste. Aber was stimmt nun, was ist die Wahrheit?
Nicht für Spekulanten
Vorab eines: Bitcoin wurde nicht für die Spekulanten geschaffen, die ihr Vermögen nur möglichst gewinnbringend anlegen wollen, indem sie es in ständig wechselnde Objekte stecken – gestern in Anleihen, heute in HighTech-Aktien und morgen vielleicht in Schweinebäuche – und von den aktuellen Kursschwankungen profitieren.
Auch wenn in der gegenwärtigen Einführungsphase der Bitcoin-Kurs noch wilde Schwankungen zeigt, so ist das finale Ziel der Bitcoin-Erfinder doch, letztendlich eine stabile Währung zu schaffen. Das wird zwar derzeit noch vom Markt sabotiert, weil der Kurs noch längere Zeit stark ansteigen wird, bis er seinen endgültigen Wert erreicht hat. Aber dann soll Bitcoin eine ebenso stabile Wertanlage wie z.B. Gold werden, vielleicht sogar noch stabiler als das Edelmetall. Aber bis dieses Ziel erreicht ist, wird es noch mindestens ein oder zwei Jahre dauern. Bis dahin können die Spekulanten ihren Goldrausch noch ausnutzen und vom steigenden Bitcoin-Kurs profitieren.
Warum der Absturz?
Für viele stellt sich jetzt allerdings die Frage: „Wenn Bitcoin noch weit höher steigen wird – warum kam dann der Kurssturz in den letzten Wochen?“
Der Grund dafür ist reine Psychologie. Begonnen hat der Höhenflug ja letzten November. Hatte die Krypto-Währung bis dahin eher gemächlich, aber stetig an Wert zugelegt, so begann in der zweiten Novemberwoche der beispiellose Höhenflug – genau zu dem Zeitpunkt, als unzählige kleine „Möchtegern-Spekulanten“ ihr Weihnachtsgeld erhielten. Sie alle hatten nun etwas Geld übrig, warum sollte man es nicht doch einmal mit diesem neuartigen Bitcoin versuchen?
Eine Summe so vieler (aber relativ kleiner) Käufe würde bei einer herkömmlichen Währung nicht viel verändern. So lange Bitcoin jedoch immer noch so extrem unterbewertet ist, können hier auch vergleichsweise geringe Ankäufe eine große Wirkung haben. Und genau das ist passiert: der Kurs schoss steil in die Höhe; weitaus steiler, als es eigentlich berechtigt gewesen wäre.
Genug ist genug
Als Mitte Dezember ein Maximalwert von fast 16.000,– Euro erreicht war, entsprach der Kurs der neuen, stärkeren Nachfrage und stieg nicht mehr weiter. Aber nun hatten alle frisch gebackenen „Anleger“ ihre Bitcoins bereits gekauft, die Zahl der Neukäufe und damit die Nachfrage fiel wieder auf ihren normalen Wert, und damit stieg auch der Kurs nicht mehr weiter, sondern begann ein wenig zu fallen.
Nun reagierten die Spekulanten mit Angst: Im Gegensatz zu jenen, die ihr Geld dauerhaft in Bitcoin anlegen wollten, wollten sie ja nur am Kursanstieg verdienen und dann wieder aussteigen; man nennt dies ja nicht umsonst „den Gewinn mitnehmen“.
Der Absturz
Viele Bitcoins wurden in kurzer Zeit zum Kauf angeboten, der Markt reagierte darauf mit sinkenden Preisen. Genau dieser Preisverfall veranlasste aber weitere Spekulanten zum Verkauf, worauf Kurs noch weiter fiel; insgesamt rutschte Bitcoin von ca. 16.000 auf 6.200 Euro herunter, und wäre die ganze Sache mit den Bitcoins ein Windei gewesen, dann wäre der Kurs wohl noch viel, viel weiter in den Keller gerutscht und kein Mensch würde sich heute noch für Bitcoin interessieren.
Dann jedoch geschah etwas höchst Bemerkenswertes: Bei ca. 6.200 € stabilisierte sich der Kurs wieder, und er begann sogar wieder zu steigen. Was war da geschehen?
Die »Fan-Gemeinde«
Parallel zu den Spekulanten, die Bitcoin nur als kurzzeitig interessantes Objekt sahen und ihr Geld nach der Gewinnmitnahme schnell in das nächste interessante Objekt stecken wollten, hat Bitcoin auch eine feste Klientel: eine Gruppe von Nutzern, die diese Währung ständig für geschäftliche Transaktionen benutzt, anstatt sie nur als Wertanlage zu horten. Diese Gruppe verwendet Bitcoin regelmäßig und schätzt die minimalen Gebühren bei weltweiten Überweisungen, die konkurrenzlose Geschwindigkeit, mit der Transaktionen hier abgewickelt werden können sowie die Möglichkeit, Geld damit auch in jene Länder zu überweisen, in denen herkömmliche Banküberweisungen mit größeren Summen aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen blockiert werden.
Damit aber ist jedes einzelne Mitglied dieser Gruppe sehr daran interessiert, dass der Wert von Bitcoins bestehen bleibt und dass die virtuelle Währung möglichst niemals Opfer einer Inflation wird. Für Spekulanten wie George Soros hingegen, die ihre Gewinne aus dem Kursverfall einer Währung lukrieren, bieten reale Währungen einzelner Staaten hier eine weitaus größere Angriffsfläche als Bitcoin. Sie werden also höchstwahrscheinlich viel eher gegen diese Währungen spekulieren, weil dort der betreffende Staat oft ein sehr reales Interesse an einem Kursverfall hat, um dadurch seine Auslandsschulden zu verringern. Dieser fatale Mechanismus fehlt bei Bitcoins völlig, und das ist wohl der größte Garant für dessen Wertbeständigkeit.
Dies bedeutet aber eines: Die immer noch weit verbreiteten Unkenrufe über den »baldigen Tod dieser Blase« beschreiben schon lange nicht mehr die Realität. Bitcoin ist in der realen Welt längst angekommen, ob es uns passt oder nicht. Dank der permanenten Nutzung existiert bereits eine stabile und andauernde Nachfrage nach Bitcoins, und die hat nun einen weiteren Kurssturz letztendlich aufgefangen. Auch die Spekulanten haben schnell wieder darauf reagiert und vorsichtig zu kaufen begonnen. Der letzte Kursanstieg von 6.200,– auf (derzeit) 8.700,– € innerhalb von nur zwei Wochen ist ein Indiz dafür. Alle Zeichen deuten somit darauf hin, dass dieser neuerliche Höhenflug (und vor allem die Karriere) von Bitcoin noch lange nicht beendet ist.